Freitag, 29. Oktober 2010

Unser Tag

Nachdem er für Romeo einen Haferbrei gekocht hat, fährt Peter um 7 Uhr auf Arbeit. Die Schwestern übernehmen und waschen Romeo und lassen ihn frühstücken (er bevorzugt Brötchen mit Tomatenfisch und saurer Gurke) und geben ihm die Morgenration Tabletten. Als ich gegen 8.30 Uhr ankomme, ist die Kindergärtnerin gerade da und malt mit Romeo, nebenbei läuft ein Hörspiel von Rabe Socke. Romeo hat Rabe Socke abgemalt - könnt Ihr ihn erkennen? [Hm, wo ist das Bild? Scheint weggeflogen zu sein. Sobald ich ihn wieder eingefangen habe, scanne ich ihn für Euch ein.] Um 9 Uhr kommt Marie, die gestern schon Fleischklößchen für Romeo vorbereitet hat, und fährt eine Stunde lang Florence spazieren. Ich spitze mit Romeo die Stifte und wir unterhalten uns über das Mittagessen. Bald darauf kommt die Visite: 5 weißbekittelte kommen rein, fragen wie es geht. Geht gut? Dann kann Romeo heute noch "abgestöpselt" werden. Das heißt, der Tropf wird abgemacht und Romeo kann sich frei bewegen - Juchuuh! Bis dahin gehen wir nochmal ins Kinderzimmer und lesen Nils Holgersson. Sobald die Schläuche ab sind, geht Romeo mit Markus (der Sportlehrer) runter in den Sportraum. Sie spielen eine halbe Stunde Federball und schaffen 13 Ballwechsel in Folge! Ich packe Florence wieder in den Wagen und sie schläft auch gleich ein. Meine Mutter holt sie dann von der Terasse (Ja, wir haben eine Terasse.) ab und fährt sie nochmal rum. Um 11.40 Uhr kommt endlich, endlich das Mittagessen. Heute von der Station: Fisch in Senfsonse und Reis und gedämpftes Gemüse. Romeo schmeckt es und ich stärke mich an der guten Mören-Rindersuppe, die uns die Antje gestern vorbeigebracht hat. 12 Uhr: Tabletten. In der Mittagsruhe hört Romeo Märchen, die mein Bruder uns geschickt hat und spielt dann mit Florence. Dann geht es raus in den Friedenspark: Meine Mutti mit dem Kinderwagen, ich mit Romeo im Rolli einmal bis zum Spielplatz und zurück - das macht hungrig!

Die Schwester ist so nett und besorgt Romeo zwischendurch Brot und eine Dose Fisch. Inzwischen hat Monty Lisa von der Schule abgeholt und zu uns nach Hause gebracht. 16 Uhr: Tabletten. Nun kommt mein Vater mit Lisa und holt mich, Florence, die große Tasche, den Kinderwagen und die Milchpumpe wieder ab. Wir gehen noch Eis essen. Die Oma bleibt solange bei Romeo und sie waschen endlich mal die Haare - noch fallen sie nicht aus, also können wir sie auch schön machen. Um 6 Uhr kommt Peter von der Arbeit zurück ins Krankenhaus - da hat Romeo schon seine ganze Pizza verdrückt. Mein Vater saugt mein Auto aus, holt meine Mutter vom KH ab und wir essen zu Hause gemeinsam Abendbrot. Lisa macht sich selber bettfertig, ich massiere Florence und trage sie noch ein wenig rum, damit sie einschläft. Währenddessen hole ich die Post: 3 Pakete und ein Brief! Meine Tante hat für Romeo ein Märchen geschrieben und illustriert, Anke hat ihre Milchpumpe geschickt und 3 Tafeln Schokolade und das dritte ist ein Vierfarbkugelschreiber für meine Orga. Dann telefonier ich und lese Mails und dann, als alle schlafen, schreibe ich Euch diese Nachricht... Wie Ihr seht, können wir das Leben tatsächlich noch genießen. Das ist aber nur 3 Sachen zu verdanken:
1- dass es Romeo zum Glück noch so gut geht
2- dass meine Eltern wie selbstverständlich voll dabei sind - aber es ist nicht selbstverständlich
3- Euch allen, die uns helfen, uns Essen bringen, Florence ausfahren, Pflanzen abholen, Briefe schreiben, Lisa abholen, mit Lisa ins Kino gehen, anrufen, an uns denken, uns Saft pressen, auf der Arbeit den Rücken frei halten, uns Kraft schicken... Habt Dank dafür! Das ist es, was unser Leben im Moment schön macht.
Posted by Picasa

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Schwesternerziehung

Im Krankenhaus gibt es keine Privatsphäre. Und auch um die Erziehung des Kindes kümmern sich plötzlich viel mehr Menschen als einem lieb ist - was ich manchmal als sehr belastend empfinde, weil ich mein Kind schützen will und dabei auf lauter Druck stoße. Gestern gab es mal wieder so einen Zusammenstoß mit einer Schwester - da prallen einfach Welten aufeinander: Die erste Nebenwirkung mit der wir es zu tun haben, ist Verstopfung. Das Medikament Vincristin verursacht Darmträgheit bis hin zur Darmlähmung. Gleichzeitig bekommt Romeo ein anderes Medikament, dass immens den Appetit steigert (daher das dauernde Verlangen nach Fleischklößchen...) - das Resultat könnt Ihr Euch denken. Jedenfalls sollte vor der nächsten Chemo noch schnell ein Einlauf gemacht werden - und das heißt dann immer sofort - warum auch immer. Ich habe es Romeo gesagt und er war natürlich nicht begeistert. Aber er kennt Einläufe von zu Hause. Wir haben das auch ab und an als Hausmittel bei Fieber genutzt (wirkt super) und da ging es immer mit seiner Einwilligung und völlig ruhig und problemlos. Diesmal hatte er keine Lust und fing an zu jammern. In dem Moment kam schon die Schwester mit dem Tablett rein und fragte was los sei. Als ich ihr sagte, dass Romeo nicht begeistert sei, sah sie mich entgeistert an: "Sie haben ihm das gesagt???", "Ja, na klar," sagte ich, "das machen wir immer so. Aber das kriegen wir schon hin. Er will bloß, dass ich das mache". Daraufhin sah sie mich noch entrüsteter an und meinte: "Nee, das dürfen'se ihm nich sagen! Wir machen das immer einfach so. Wir sagen, dass wir mal Fieber messen wollen. Drehen auf die Seite, rein damit und fertsch!" Inzwischen schrie Romeo immer lauter. Ich hätte ihn gern erstmal beruhigt, nochmal mit ihm darüber gesprochen. Aber die Schwester war der Meinung, dass jetzt eh alles versaut war und das Kind sowieso Theater machen würde und dass man das jetzt also erst recht einfach schnell durchziehen müsse. Das ganze endete in einem Kampf zwischen Romeo, der schrie und einfach nur etwas mitbestimmen wollte, was mit seinem Körper geschah, der Schwester, die einfach schnell ihre Arbeit erledigen wollte und mir, die gern auf die Bedürfnisse ihres Kindes eingehen wollte und wusste, dass das alles auch hätte ganz anders ablaufen können. Solche Erlebnisse hinterlassen Wunden beim Kind und bei mir auch - ich weiß nicht, wie es der Schwester damit geht. Ich habe hinterher nochmal in Ruhe mit Romeo darüber gesprochen. Dabei kam raus, dass das, was ihn wirklich gestört hat, war, dass die Schwester ihn so doll festgehalten hat. Ich glaube er hat sich einfach völlig überrumpelt gefühlt und konnte gut nachvollziehen, dass er damit intuitiv nicht einverstanden war. Wir haben dann einen Plan gemacht, wie wir das das nächste Mal machen: Ohne Schreien und ohne Zwang! Vielleicht ist das für die Schwester dann auch ganz interessant... 

Therapieplan

Sehr oft bekomme ich die Frage gestellt, wie es denn nun weiter geht und wie lange Romeo ungefähr im Krankenhaus bleiben muss. Alles was ich dazu weiß, steht in unserem Therapieplan, den ich unten abdrucke. Im Prinzip ist es so, dass Romeo jetzt auf jeden Fall noch bis 20.11. im Krankenhaus bleiben muss. Ein ganz wichtiges Datum ist der 16.11. - dann wird die nächste, entscheidende Rückenmarkspunktion gemacht, bei der ausgezählt wird, wieviele Krebszellen noch da sind. Danach entscheidet sich dann auch in welches Protokoll er weiterhin kommt, das heißt wieviele Chemos und in welcher Dosierung noch dran sind. Im Moment sind wir im Niedrig-Risiko-Protokoll und wir hoffen natürlich ganz ganz sehr, dass wir dort bleiben oder sogar noch ins reduzierte kommen können (wenn gar keine bösartigen Zellen mehr zufinden sein sollten). Bis dahin gibt es jetzt erstmal jede Woche eine Chemo und jeden Tag Tabletten, Tabletten, Tabletten...

Hier der interessante Teil aus der Elterninformation:
"In den ersten 6 -9 Monaten erfolgt eine intensive Therapie, in der Ihr Kind immer wieder für einige Tage ins Krankenhaus muss und die leider auch häufig von Nebenwirkungen gefolgt ist. Diese intensive Phase der Therapie gliedert sich in 4 Abschnitte. Zunächst erfolgt eine Einführungs-(Induktions-)therapie über 5 Wochen, in denen mit einer Kombination aus 3 verschiedenen Medikamenten die eukämie langsam zurückgedrängt wird. Dies wird an deren Ende mit Hilfe eine Knochenmarkpunktion überprüft. [Das ist also die am 16.11.] Es folgt dann eine Intensivphase über 21/2 bis 4 Monate mit wechselnden Therpaieblöcken. Hier werden in jdem Block unterschiedliche Medikamentenkombinationen eingesetzt. Die Therapieblöcke sind deutlich intensiver als in den ersten 5 Wochen der Therapie [!!!] und erfordern jeweils einen stationären Aufenthalt von 3 - 4 Tagen. Es schließt sich dann eine 4wöchige Phase an, in der die Behandlung des zentralen Nervensystems (ZNS) im Vordergrund steht. [...] Nach Abschluss der ZNS-Phase wird die Reinduktion durchgeführt, in der ähnliche Medikamente wie in der Induktion zur Anwendung kommen. In diesem Therapieabschnitt sind die Therapieblöcke wieder eher kurz, so dass in der Regel nur 2 Tage auf Station verbracht werden müssen, einige Therapieelemente können auch ambulant verabreicht werden. Da insbesondere die Reserven des Knochenmarkes durch die vorangegangene Therapie schon erschöpft sind, kommt es hier häufiger zu Therapieverzögerungen. Außerdem ist durch die etwas andere Medikamentenwahl - Dexamethason statt Methylprednisolon und Adriamycin statt Daunorubicin die infktiöse Gefährdung in dieser Therapiephase höher als in der Anfangsphase der Therapie.
An die intensive Phase der Therpapie schließt sich eine ambulante Behandlung mit 2 Medikamenten in Tablettenform an, die Erhaltungstherapie genannt wird; während dieser Zeit kann Ihr Kind dann wieder in den Kindergarten/Schule gehen. Die Gesamttherapiedauer beträgt 2 Jahre."
Ende der Durchsage...

Dienstag, 26. Oktober 2010

Scotti im Tierheim

Heute hat mein Vater unseren Hund Scott ins Tierheim gebracht. Der Arme tut mir schrecklich leid. Aber bis meine Eltern hier eine Wohnung haben, wohnen sie mit bei uns und darf ja nun kein Haustier rein. Wir wollten ihn eigentlich nur für maximal zwei Wochen im Tierheim unterbringen - bis wir hier jemanden gefunden haben, der ihn längerfristig aufnehmen kann. Leider war das Tierheim damit nicht einverstanden. Wir mussten gleich unterschreiben, dass wir alle Rechte an dem Hund aufgeben und das heißt, wenn wir ihn wieder rausholen wollen, müssen wir einen Antrag stellen usw. Ich verstehe diese Vorgehensweise nicht: Das Tierheim müßte doch Interesse daran haben, dass die Tiere schnell wieder rauskommen? Ich hoffe trotzdem sehr, dass wir bald jemanden finden, der ihn zu sich nimmt. Also, wenn Ihr jemanden kennt, der Hunde mag: Fragt ihn bitte! Scott ist ganz lieb, bellt fast nie, ist 11 Jahre alt, stubenrein und kastriert.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Raus in den Herbst!

Die zweite Chemo haben wir hinter uns (Mittwoch zu Donnerstag). Bis jetzt hat Romeo sie sehr gut vertragen und wir sind jeden Tag froh zu sehen, wie gut es ihm geht. Gestern durften wir sogar raus in den Park und auf den Spielplatz! Romeo wurde vom Tropf abgeklemmt und dann sind wir mit dem Rolli losgedüst. Er kann natürlich auch laufen, aber das wäre schon eine lange Strecke gewesen, nachdem er jetzt zwei Wochen fast nur im Bett lag. Wir haben die gelben Blätter bestaunt und die Sonne genossen und auf dem Spielplatz die großen Jungs vom Karussel gejagt :-).
Leider kann man daraus nicht schlußfolgern, dass das auch so bleibt... Die anderen Eltern auf der Station erzählen uns, dass es bei ihnen in den ersten zwei Monaten auch noch sehr gut ging und erst dann die Nebenwirkungen eingesetzt haben :-(.
Wir kümmern uns deshalb im Moment intensiv um ein naturheilkundliches Begleitprogramm, um die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten - dazu schreibe ich nochmal einen separaten Beitrag. An dieser Stelle möchte ich Euch um etwas bitten: Wir bekommen häufig Mails oder Hinweise zu alternativen Hypothesen und Therapien. Das ist gut, denn wir fangen gerade erst an, uns mit dem Thema zu beschäftigen. Allerdings sind darunter auch immer wieder welche, die nicht sehr glaubwürdig sind, mit denen wir uns aber dann auseindersetzen (müssen) und das kostet Kraft. Deshalb sendet uns bitte nur Hinweise, die auf eigener Erfahrung beruhen - also zum Beispiel im Bekannten- oder Verwandtenkreis wirklich jemandem geholfen haben. Vielen Dank!

Samstag, 23. Oktober 2010

Besuchen

Romeo freut sich natürlich über Besuch. Ihr könnt also gerne mal vorbeikommen. Es gibt keine festen Besuchszeiten. Generell bitten wir Euch, Besuche mit uns abzusprechen, damit nicht mehrere auf einmal kommen, damit Romeo auch da und einigermaßen fit ist. Auf einer Krebsstation gelten allerdings strenge Vorschriften für Besucher, was den Infektionsschutz betrifft. Das ist besonders wichtig für Kinder zu wissen, da sie vor betreten der Station durchgecheckt werden (Krankenkassenkarte mitbringen). Ihr könnt also nur rein, wenn keine Infekte vorliegen. Besonders gefährlich für Menschen mit eingeschränkten Abwehrkräften sind Herpesviren und Pilzinfektionen - also bitte auch darauf achten. Jeder Besucher muss die Hände desinfizieren, einen blauen Kittel anziehen und Mundschutz aufsetzen. Das sieht dann so aus:

Aber daran gewöhnt man sich schnell.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Alltag im Krankenhaus

Wir haben das 2er-Zimmer für uns alleine und schön viel Platz.
Peter schläft auf der Elternliege. Florence schläft im Stationskinderwagen. Es gibt ein Spielzimmer, das wir schon erkundet haben, mit ganz vielen Büchern und Spielen, einem großen Fernseher und so gar Play-Station (das haben wir Romeo aber noch nicht verraten). Ich fahre meistens gleich am Morgen ins Krankenhaus und löse Peter ab, damit er Dinge erledigen und sich ausruhen kann. Es gibt unglaublich viele Schwestern, heute (Di, 19.10.) kam immer noch eine neue hinzu. Sie sind alle sehr unterschiedliche Menschen. Aber alle sind sehr nett und nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Das macht es manchmal auch schwierig, wenn wir über irgendetwas andere Ansichten haben, aber bis jetzt konnten wir immer noch alles gut klären. Es gibt volle Verpflegung auch für die Eltern. Allerdings ist das Essen mäßig gut und das finde ich gerade in Anbetracht der Krankheit, mit der wir es hier zu tun haben, gar nicht zufriedenstellend. Ich wünsche mir, dass Romeo nur das beste, gesündeste Essen der Welt bekommt. Da muss ich wohl anfangen selbst zu kochen... Ausschlafen kann man im Krankenhaus natürlich auch heutzutage noch nicht, 6.30 Uhr kommt der Weckdienst. Das ist schon in Ordnung, länger schlafen wir zu Hause auch nicht. Natürlich verbringe ich jetzt viel Zeit hier und Florence ist meistens mit dabei. Das werden wir versuchen zu ändern, denn schließlich braucht sie trotzdem die Natur.
So ein Tag im Krankenhaus ist lang und ermüdend, es ist immer zu warm hier drin und zu dunkel...

Mi, 13.10. - Zwei Neue Leben beginnen

Sorry Leute, ich weiß, Ihr wollt wissen, wie es Romeo jetzt geht. Aber ich möchte mir die letzte Woche noch von der Seele schreiben...
Hier aber schonmal ein Bild von diesem Sonntag:




Am Dienstag abend  bei meiner fieberhaften Suche im Internet nach Alternativen fand ich neben einer Seite, die auf makrobiotische Ernährung zur Krebsheilung setzt, auch diese Meldung: http://derstandard.at/1271374879470/Versuchsreihe-HAMLET-Komplex-in-der-Muttermilch-toetet-Krebszellen-ab. Muttermilch hab ich doch! Vielleicht kann man auch so die Krebszellen töten? Wahrscheinlich nicht. Könnte man es denn innerhalb weniger Tage überhaupt feststellen, ob es hilft? Ich bin müde und hab Kopfschmerzen und gehe erstmal schlafen. Aber halb drei bin ich wieder wach und denke immer nur über die Sache mit der Muttermilch nach: Und was, wenn doch? Wir müssen es doch wenigstens versuchen, bevor wir unser Kind systematisch vergiften lassen! Ich drucke den Bericht aus und auch den entsprechenden Fachartikel dazu (http://www.plosone.org/article/info:doi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0009384). Ich weiß doch wie Wissenschaftler ticken: da muss eine ordentlich veröffentlichte Studie her. Ich drucke die Studie auch noch aus - fest entschlossen - wenn es möglich ist, eine Wirkung nach so kurzer Zeit festzustellen - mit der Ärztin zu verhandeln, dass wir es drei Tage intensiv mit Muttermilch probieren, beobachten und erst dann mit der Chemo beginnen, wenn wir es wenigstens versucht haben...
Gegen 7 komme ich im Krankenhaus an, bewaffnet mit meinen beiden Artikeln. Romeo und Peter sind heute morgen schon auf ein anderes Zimmer verlegt worden - ein 2er-Zimmer. Romeo sieht gut aus, die Blutkonserven haben ihn sofort gestärkt. Die Schwestern wollen wissen, ob sie anfangen können... Ich sage, dass ich nochmal mit der Ärztin sprechen möchte. Das passiert gegen halb zehn. Sie spürt sofort, dass ich noch Vorbehalte gegen die Chemo habe. Ich frage zunächst, ob man die Therapie auch eher beenden könne, wenn vielleicht nach zwei Behandlungen keine Tumorzellen mehr im Blut sind. Aber sie nimmt mir diese Hoffnung auf ein schnelles Ende und erklärt, dass über das Blut Tumorzellen in allen Organen sind und bis die alle sicher abgetötet sind, dauere es eben so lange. Dann sagt sie: "Kommen Sie, ich will Ihnen mal was Interessantes zeigen!" Sie führt mich an ihren Computer. Auf dem Bildschirm Romeos Blutwerte der letzten drei Tage. "Sehen Sie, das sind seine Werte von gestern und hier -- sind seine Werte von heute... Ihr Sohn hat heute 95% Tumorzellen in seinem Eigenblut! Wir können jetzt leider keinen Tag mehr warten..." Ich weine, ob der Nachricht und ob der Unmöglichkeit, um diese schreckliche Therapie herumzukommen. Sie schaut mich an: "Können wir loslegen?" Ich kann nur nicken. Ich gebe ihr die Artikel trotzdem noch und erkläre ihr, dass ich meinem Sohn von der Muttermilch geben will, weil sie Stammzellen enthält und Abwehrstoffe und Krebszellen tötet. Sie meint, dass sie das prinzipiell unterstützt, dass aber sowohl die Milch als auch mein Blut vorher bakteriologisch überprüft werden müsse. Natürlich, nur zu, nur bitte schnell!
Zurück im Zimmer unterschreiben Peter und ich die Einwilligung in den Therapieplan. Ich konnte ihn nicht lesen - wozu auch? Ich hoffe nur, wir tun das Richtige, aber wir sehen keine andere Möglichkeit, Romeo zu retten...
Kurz vor Mittag wird Romeo wieder in Schlaf versetzt und zur Lumbalpunktion gebracht. Dabei wird ihm ein Mittel in das Wasser am Ende der Wirbelsäule gespritzt, um sein Nervensystem vor Tumorzellen zu schützen und etwas davon wird entnommen, um zu testen, ob schon Krebszellen darin sind. Wenn das der Fall ist, müßte der Kopf bestrahlt werden.
Am Nachmittag wird die erste Dosis Zellgift an den Tropf gehängt und meine Mutter ruft mich an, dass mein Bruder gerade Vater geworden ist. Ich nehme das als Zeichen: Zwei neue Leben haben gerade angefangen. Es wird alles gut.

Samstag, 16. Oktober 2010

Di, 12.10. - Die Diagnose

Peter war bei Romeo in der Klinik geblieben. Ab halb zwei tigerte ich durch die Wohnung. Gegen halb sechs fuhr ich ins Krankenhaus. Romeo hatte die Blutkonserve und die Thrombozyten (wichtig für die Blutgerinnung) gut vertragen und das Fieber war auch runtergegangen und er hatte sogar wieder Farbe im Gesicht! Er wurde in eine Art Schlaf und örtliche Betäubung gebracht. Peter begleitete ihn dorthin. Dann wurde das Knochenmark punktiert und auch eine größere Probe entnommen für weitere Untersuchungen. Nach dem Eingriff durfte er endlich wieder etwas essen.
Wir hofften immernoch. Aber am Nachmittag kam die Ärztin und bat uns zum Gespräch. Die Oberschwester und eine Psychologin saßen auch dabei. Sie erklärte uns, dass zweifelsfrei eine Leukämie vorläge. Dann begann sie den Schrecken vor uns auszubreiten...
Die Therapie, 2 Jahre, Chemo, vielleicht Bestrahlung, all die Nebenwirkungen, die Medikamente, die Abschottung von anderen Kindern, kein Kindergarten, keine Haustiere, nicht einmal Zimmerpflanzen, keimarme Kost. Mir drehte sich der Kopf, ich heulte, Florence auf dem Schoß - während Peter ganz ruhig blieb und Fragen stellte. Meine Mutter und Lisa waren in der Zeit bei Romeo und es ging ihnen gut. Ich verstand wenig von dem, was die Ärztin uns erklärte. Schaffte es aber doch auch ein paar wichtige Fragen zu stellen. Ich wollte wissen, wie sie zu naturheilkundlichen Verfahren stand und ob wir noch ein oder zwei Tage Bedenkzeit riskieren könnten. Ich war das erste Mal sehr erleichtert, als sie sagte, dass sie sehr offen für therapiebegleitende naturheilkundliche Verfahren sei und sie meinte ein oder zwei Tage dürften im Moment kein Problem sein.
Peter blieb wieder im Krankenhaus und ich ging mit Lisa, Florence und meiner Mutter nach Hause. An diesem Abend suchte ich fieberhaft im Internet nach Rettung: Gab es die Möglichkeit alternativer Therapien? War da irgendwo ein Bericht, dass damit schonmal jemand von akuter Leukämie geheilt worden sei? Nichts. Mir brannte das Herz. Ich konnte die ganzen Informationsblätter über die Chemotherapie nicht einmal anschauen. Wozu auch? Wenn wir keine andere Wahl hatten, mußten wir es so oder so unterschreiben. Aber konnten wir Romeo DAS antun? Ihn einmal komplett vergiften, um sein Leben zu retten? Hatten wir wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft?

Mo, 11.10. - Krankenhaus oder Gefängnis?

Ich brachte Lisa in den Kindergarten Nach einigem Hin und Her landeten wir in der medizinischen Versorgung der Uniklinik. Dort untersuchte eine  sehr freundliche Ärztin Romeo. Auch sie fand nichts bemerkenswertes Neues, sagte aber, dass der Junge in einem Zustand sei, in dem sie ihn auf keinen Fall wieder nach Hause gehen lassen würde. Ich protestierte! Denn das hatte ich mir schon so gedacht, dass die Schulmedizin ihre Krallen nach meinem Kind ausstrecken würde und wäre es einmal in ihren fängen - nicht wieder loslassen würde. Sie ließ sich aber nicht davon abbringen, ordnete sofort ein neues Blutbild an und ließ Romeo samt meiner und Florence einweisen. Ich fühlte mich wirklich elend. Ich dachte, was machen wir, wir können doch auch zu Hause auf den Befund der Blutuntersuchung warten. Wir kamen auf die Kinderstation - aber ich packte nicht mal die Tasche aus. Ich sprach mit Peter am Telefon und sagte ihm, dass wir wohl die Nacht im Krankenhaus verbringen müßten, um an unsere Blutanalyse zu kommen. Peter rief daraufhin im Kindergarten an, um zu fragen, ob Lisa die Woche dort als Gastkind betreut werden könnte, da ja Herbstferien waren... Aber der Kindergarten weigerte sich, was uns sehr enttäuschte. Also machte sich meine Mutter, aufopferungsvoll wie sie ist, mit ihrem noch nicht geheilten Fuß (sie hatte sich kurz vor Florences Geburt das Sprunggelenk gebrochen) mit dem Zug auf den Weg zu uns.
Romeo wurde Blut abgenommen und er war sehr tapfer. Dann spielten wir eine Runde Kicker und ich versuchte, dieses traumatische Erlebnis für ihn erträglicher zu machen. Aber ich fühlte mich wie in Gefangenschaft. Mehrmals spielte ich in Gedanken eine Flucht durch. Gegen 2 spürte ich meine Nerven deutlich und rief Peter an, damit er zu uns kam. Etwas später kam der Befund: akute Blutarmut! Die Schwester kündigte an, dass wir binnen Kürze auf eine andere Station verlegt würden, da Romeos Abwehrkräfte extrem reduziert seien, und auf der Kinderstation natürlich hauptsächlich Kinder mit Infekten lagen, Bronchitis und so...
Peter kam zu uns und wir warteten auf die Nachmittagsvisite. Eine neue Ärztin und ihre Assistentin kamen herein - das war jetzt ungefähr die fünfte an diesem Tag. Die andere Familie, die mit im Zimmer war und auf ihren Entlassungsschein wartete, wurde hinausgebeten. Die beiden Ärztinnen setzen sich hin und machten ernste Miene. Sie erklärten uns, dass ein Befund wie er bei Romeo aufgetreten war, eigentlich nur eines bedeuten konnte: dass sein Knochenmark nicht mehr arbeitete. Das könne mehrere Gründe haben, aber alle seien schwerwiegend. Das wahrscheinlichste sei Leukämie und wir müssten umgehend eine Knochenmarkspunktion machen lassen. Wir waren geschockt und wie betäubt. Ich fragte noch, was denn die Alternativen seien, aber die waren auch nicht mutmachend. Wir zogen runter in die Onkologie und Romeo bekam sofort eine Blutkonserve und Antibiotikum gegen das Fieber. Ich musste erstmal los um Lisa abzuholen und meine Mutter vom Bahnhof und dann für Romeo und Peter einige Sachen zusammenpacken. In dieser Nacht schlief ich kaum. Ich heulte, ich betete zu Gott, ja ich schrie ihn an:  Nimm es weg, Gott! Nimm es von uns!

Wie alles begann

Im Nachhinein kann man die Anzeichen glasklar erkennen aber zum damaligen Zeitpunkt - vor einigen Wochen - wäre kein Mensch auf so eine Idee gekommen...
Bereits im August haben wir uns gewundert, was Romeo für komische Huckel auf dem Kopf hat. Eine Freundin, die Ärztin ist, meinte das seien geschwollene Lymphknoten und sei unbedenklich. Und da Romeo sonst mopsfidel war, machten wir uns weiter keine Sorgen. Als jedoch anfang September immer mehr solcher geschwollenen Lymphknoten auftauchten, bat mich Peter, das doch mal dem Kinderarzt zu zeigen. Also ging ich zu unserem Kinderarzt, was immer eine ziemliche Überwindung kostet, da man dort gewöhnlich mindestens einen halben Tag zubringt. Der Arzt untersuchte Romeo eingehend, konnte aber außer der Lymphknoten auch nichts finden. Er vermutete, dass es eine Reaktion auf die Läuse sein könnte, mit denen wir es kurz zuvor zu tun gehabt hatten, ließ aber vorsichtshalber noch ein ausführliches Blutbild machen. Dieses Blutbild wurde am 7.9. angefertigt und zeigte keinerlei Auffäligkeiten außer einer leicht zu niedrigen Anzahl weißer Blutkörperchen (was aber bei jedem kleineren Infekt vorkommen kann). Damit waren wir erstmal beruhigt und glaubten an die Läuse.
Am Donnerstag, den 16.9. kam Romeo aus dem Kindergarten und hatte hohes Fieber. Wie behandelten das wie jedes Fieber mit Respekt, da es ja einen guten Zweck erfüllt und eine normale Abwehrreaktion des Körpers darstellt. Also wurden erstmal alle Termine abgeblasen, Romeo bekam viel Ruhe und es ging ihm nicht so schlecht. Merkwürdig war nur, dass es keinerlei andere Infektsymptome gab: kein Schnupfen, kein Husten, keine Halsschmerzen - nichts. Peter fuhr noch in seinen geplanten Erholungsurlaub, weil wir jeden Tag glaubten, Romeo könne den nächsten sicher wieder in den Kindergarten gehen... Aber jeden Abend kehrte das Fieber zurück. Romeo war natürlich etwas matt, schlief viel und aß wenig. Als nach einer Woche immernoch Fieber da war, ging ich wieder zum Kinderarzt. Er wunderte sich etwas, fand wieder keinerlei  Anzeichen eines Infektes und bat uns um eine Stuhlprobe, um noch andere Bakterien überprüfen zu können.  Die brachten wir ihm ein paar Tage später und auch die war vollkommen unauffällig. Mittlerweile begann ich Romeo etwas von Florences Muttermilch in einer Tasse vermischt mit Kuhmilch zu geben, um ihn zu stärken und weil Muttermilch viele Abwehrstoffe enthält. Da es Romeo relativ gesehen gut ging und wir für die Herbstferien eine Ferienwohnung im Erzgebirge gebucht hatten, fuhren wir da auch planmäßig hin, in der Hoffnung, dass der Luftwechsel etwas bewirken würde. Aber auch da passierte nichts, außer dass Romeo nun nach drei Wochen Fieber immer matter und blasser wurde und den ganzen Tag auf der Heizung am Fenster sitzen wollte wie eine Katze. Ich tippte mittlerweile auf Pfeiffersches Drüsenfieber. Ich machte mir nun schon große Sorgen, rief erneut bei unserem Kinderarzt an und fragte ihn um Rat. Er wußte da aber auch nicht weiter und meinte, dass er uns nun nur noch ins Krankenhaus einweisen könne. Darauf hatte ich ja nun gar keine Lust und rief noch einmal bei unserer Homöopathin an, wo Romeo eigentlich erst in zwei Wochen zur Erstanamnese sollte und bat sie inständig um einen zeitigeren Termin. Tatsächlich hatte sie an diesem Freitag, dem 8.10. noch eine halbe Stunde Zeit und so brach ich unseren Urlaub etwas eher ab - Lisa blieb noch mit unseren Freunden da - und fuhr mit Florence und Romeo am Freitag früh morgens zurück nach Leipzig. Die Homöopathin konnte für Romeo zwar ein Mittel, dass zu seinen Symptomen passte, heraussuchen, wußte aber auch nichts mit seinem Zustand anzufangen. Sie stellte fest, dass er wirklich sehr blaß war und empfahl uns dringlichst, sollte das Fieber nicht weggehen, am Montag in die Klinik zu fahren, um das abklären zu lassen. Romeo hatte nun zwar etwas Husten bekommen, aber das war ganz sicher nicht der Grund für das Fieber. Schweren Herzens fuhr ich also am Montag morgen mit Romeo - Florence immer im Gepäck - in die Uniklinik...