Mittwoch, 18. Mai 2011

Mit Steini und Blitzi durch die OP

Alles ist gut gelaufen! Morgen früh hole ich Romeo wieder nach Hause. Steini und Blitzi haben uns gut beschützt und die Verbindung gehalten, während Romeo im OP war.
Lichtgestalten

Steini und Blitzi in natura


Unglaublicher Weise war es entgegen aller vorhergesagter Widerstände dann doch ganz mühelos möglich, bei Romeo zu sein bis er eingeschlafen war und auch im Aufwachraum gleich wieder bei ihm zu sein. Aber das ist eine lange Geschichte für die ich jetzt viel zu müde bin...

Freitag, 20. Mai

Ok, hier ist die Story:
Nicht in allen Krankenhäusern, aber in der Uniklinik Leipzig, läuft die elterliche Begleitung einer Kindervollnarkose "normalerweise" so ab, dass ein Elternteil dabei sein kann, bis das Kind sediert ist, dann wird es vertrauensvoll in die Hände der Narkoseschwestern übergeben. "Sie gehen erst einmal frühstücken - wir kümmern uns um Ihr Kind." Im OP-Saal, an die Monitore angeschlossen, wird dann die eigentliche Narkose eingeleitet. Nach der OP, wird die Narkose ausgeleitet und das Kind in den Aufwachraum gebracht, wo es noch an die Monitore angeschlossen bleibt, bis es eine Weile stabil und wach ist. Dann wird es auf die Station gebracht und dort freudig von seinen erleichterten Eltern in Empfang genommen. So die Idealvorstellung von seiten des Krankenhauses...
Schauen wir uns die ganze Situation jetzt mal aus der Perspektive des Kindes an: Eine OP steht an. Alle sind sehr aufgeregt. Das Kind ist auch sehr aufgeregt, aufgekratzt, seit Stunden nüchtern und in Warteposition, damit es sofort losgehen kann, wenn der OP-Saal frei ist. Dann muss alles sehr schnell gehen. Eventuell - wenn das Kind Glück hat, begleitet es ein Elternteil zum OP-Bereich. Dort wird es mit Dormicum und wer weiß noch was sediert. Dormicum hat auch die schöne Eigenschaft, das Erinnerungsvermögen zu beeinflussen. Das Kind kriegt also so eine Art Schwips, Mama oder Papa verschwindet plötzlich, um es herum lauter große grüne Männchen, helles Licht, ein großer Raum, viele fremde Menschen und dann verliert es das Bewusstsein... nach gefühlt gar keiner Zeit Aufwachen in einem unbekannten Raum, Verwirrung, eventuell Schmerzen, vielleicht postoperative Agitation, Mama oder Papa nicht da, fremde Menschen, lauter piepende Apparate...
Im Endeffekt erlebt das Kind zwei seelisch extrem sensible Momente des Bewusstseinsverlustes und der Bewusstseinswiedererlangung ohne die Anwesenheit irgendeiner vertrauten Person und noch nicht einmal einer vertrauten Umgebung.
Jetzt die Frage: Muss das eigentlich so sein?
Dass die Narkose erst im OP-Saal eingeleitet wird, hat tatsächlich einen guten Grund: Durch die Vollnarkose wird auch der Atemreflex lahmgelegt und das Kind muss künstlich beatmet werden über ein Schlauch (Tubus), der zu diesem Zweck eingeführt wird (Intubation). Das muss dann natürlich ziemlich schnell gehen. Aber wie schnell eigentlich?
Und warum dürfen die Eltern nicht in den Aufwachraum? Da gibt es eigentlich nur rein praktische Gründe; sowas wie "Platzmangel" oder "Datenschutz". Ziemlich dürftige Argumente angesichts des Traumapotentials dieser Situation - wenn Ihr mich fragt...
Also hab ich mich aufgemacht, um für uns eine "ganz individuelle" andere Lösung zu finden. Ich habe die Bitte im Aufklärungsgespräch gestellt und mir wurde gesagt, ich solle mir da keine Hoffnungen machen. Ich habe "unsere" Oberärztin gebeten, bei der Anästhesie-Oberärztin anzurufen und sie hat gesagt, ich solle mir keine Hoffnungen machen. Aber sie würde anrufen! Ich habe der der Anästhesie-OÄ ganz viele bunte Lichtspiralen geschickt ;-), habe Gott gedankt, dass er dass alles für uns möglich macht und - oh Wunder - irgendwann im Laufe des Vormittags teilte mir die OÄ mit, dass die andere OÄ in meine Bitten eingewilligt hätte. Schön. So haben sie Romeo dann in meinem Beisein, im Aufwachraum, einschlafen lassen  - er hatte Steini in der Hand - und dann schnell in den OP gebracht. Hiernach saß ich noch eine Weile auf der nächstgelegenen Wartebank - Blitzi in der Hand - und konzentrierte mich ganz und gar darauf, in Gedanken bei Romeo zu sein. Als ich das Gefühl hatte, dass der Eingriff zu Ende war, ging ich runter auf die Station, denn die Narkoseschwestern hatten gesagt, dass sie sich melden, wenn er wieder im Aufwachraum ist und ich hatte Angst, dass sie mich dort um die Ecke nicht finden würden. Ich wartete und wartete, der Eingriff war längst vorüber - das wusste ich, weil unsere Ärzte hinterher noch die Punktionen gemacht hatten. Und ich wurde wütend, ich dachte: 'Die verarschen mich! Die lassen Romeo da oben alleine aufwachen!' Aber dann dachte ich wieder: 'Das kann nicht sein, das passt nicht. Wahrscheinlich rufen sie mich kurz bevor er aufwacht.' Und warten.... und warten...Unerwartete Hilfe wurde mir in diesem Moment noch einmal zuteil von einer Ärztin unserer Station, die mein Anliegen gut verstehen konnte und als sie meinen Zustand sah, sofort oben anrief um zu fragen, was mit Romeo sei. Er schlief aber einfach noch ganz fest. Zehn Minuten später riefen sie dann an, dass ich hochkommen könne. Romeo war dann schon wach als ich kam, aber ganz entspannt. Er konnte sich hinterher auch nicht daran erinnern, dass er in einem anderen Raum als dem Aufwachraum gewesen war. Und er brauchte nicht einmal ein Schmerzmittel, so gut hatten die Chirurgen und Anästhesisten das gemacht. Da war für mich alles in Ordnung und ich war den Menschen und Gott dankbar.
Und übrigens, falls Euer Kind mal eine Narkose braucht: Desfluran macht wesentlich mehr aggressive Zustände als Propofol und Studien belegen: Wie ein Kind in der Narkose einschläft (also möglichst angstfrei), so wacht es auch auf. Und lasst Euch bloß nicht erzählen, Ihr müsstet Euer Kind alleine lassen wegen Datenschutz - schließlich gibt es Trennwände!

2 Kommentare:

  1. Ich sehe bei Euren Reaktionen viele "Klasse!"-Stimmen und noch vielmehr "Na ja..."-Stimmen. Ich schließe daraus, dass
    (a) ziemlich viel Krankenhauspersonal mitliest - Ihr dürft anderer Meinung sein!, (b) es mittelmäßig schwer ist, zu verstehen, was in unserer kleinen Welt hier passiert und wichtig ist - das ist ok für mich und (c) sich viele Leser an den bunten Lichtspiralen stoßen, weil sie nicht glauben, dass so etwas funktioniert... - Tja, das ist genaugenommen nicht mein Problem. Aber ich schicke Euch auch ganz viele davon; einfach, damit die Welt schöner wird.

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  2. Liebe Gerlind,

    Ich freue mich einfach für euch, dass alles so gut gegangen ist und ich bewundere, wie du dich einsetzt für das, was dir wichtig ist.

    Zum Thema Vollnarkose als Kind kann ich nur aus eigener Erinnerung sagen, dass ich weder beim Einschlafen noch beim Aufwachen Angst hatte und das Ganze mich insgesamt eher wenig beeindruckt hat. Allerdings war ich bei der Narkose, an die ich mich erinnere, auch schon etwas älter (9 Jahre). Und wie gesagt, auch wenn es nicht zwangsläufig traumatisch ist, wenn die Eltern in diesen Situationen nicht anwesend sind, es ist auf jeden Fall tröstlich und hilfreich, wenn sie es sind.

    Das mit den Lichtspiralen zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht - danke, hier haben sie ihren Zweck also schon erfüllt. :)

    Liebe Grüße,
    deine Jule

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