Donnerstag, 28. Oktober 2010
Schwesternerziehung
Im Krankenhaus gibt es keine Privatsphäre. Und auch um die Erziehung des Kindes kümmern sich plötzlich viel mehr Menschen als einem lieb ist - was ich manchmal als sehr belastend empfinde, weil ich mein Kind schützen will und dabei auf lauter Druck stoße. Gestern gab es mal wieder so einen Zusammenstoß mit einer Schwester - da prallen einfach Welten aufeinander: Die erste Nebenwirkung mit der wir es zu tun haben, ist Verstopfung. Das Medikament Vincristin verursacht Darmträgheit bis hin zur Darmlähmung. Gleichzeitig bekommt Romeo ein anderes Medikament, dass immens den Appetit steigert (daher das dauernde Verlangen nach Fleischklößchen...) - das Resultat könnt Ihr Euch denken. Jedenfalls sollte vor der nächsten Chemo noch schnell ein Einlauf gemacht werden - und das heißt dann immer sofort - warum auch immer. Ich habe es Romeo gesagt und er war natürlich nicht begeistert. Aber er kennt Einläufe von zu Hause. Wir haben das auch ab und an als Hausmittel bei Fieber genutzt (wirkt super) und da ging es immer mit seiner Einwilligung und völlig ruhig und problemlos. Diesmal hatte er keine Lust und fing an zu jammern. In dem Moment kam schon die Schwester mit dem Tablett rein und fragte was los sei. Als ich ihr sagte, dass Romeo nicht begeistert sei, sah sie mich entgeistert an: "Sie haben ihm das gesagt???", "Ja, na klar," sagte ich, "das machen wir immer so. Aber das kriegen wir schon hin. Er will bloß, dass ich das mache". Daraufhin sah sie mich noch entrüsteter an und meinte: "Nee, das dürfen'se ihm nich sagen! Wir machen das immer einfach so. Wir sagen, dass wir mal Fieber messen wollen. Drehen auf die Seite, rein damit und fertsch!" Inzwischen schrie Romeo immer lauter. Ich hätte ihn gern erstmal beruhigt, nochmal mit ihm darüber gesprochen. Aber die Schwester war der Meinung, dass jetzt eh alles versaut war und das Kind sowieso Theater machen würde und dass man das jetzt also erst recht einfach schnell durchziehen müsse. Das ganze endete in einem Kampf zwischen Romeo, der schrie und einfach nur etwas mitbestimmen wollte, was mit seinem Körper geschah, der Schwester, die einfach schnell ihre Arbeit erledigen wollte und mir, die gern auf die Bedürfnisse ihres Kindes eingehen wollte und wusste, dass das alles auch hätte ganz anders ablaufen können. Solche Erlebnisse hinterlassen Wunden beim Kind und bei mir auch - ich weiß nicht, wie es der Schwester damit geht. Ich habe hinterher nochmal in Ruhe mit Romeo darüber gesprochen. Dabei kam raus, dass das, was ihn wirklich gestört hat, war, dass die Schwester ihn so doll festgehalten hat. Ich glaube er hat sich einfach völlig überrumpelt gefühlt und konnte gut nachvollziehen, dass er damit intuitiv nicht einverstanden war. Wir haben dann einen Plan gemacht, wie wir das das nächste Mal machen: Ohne Schreien und ohne Zwang! Vielleicht ist das für die Schwester dann auch ganz interessant...
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