Sonntag, 6. Februar 2011

Im Vertrauen weitergehen

Die Frage "Wie geht es Euch?" ist im Moment gar nicht so leicht zu beantworten. Physisch - zum Glück - recht gut; geistig - erschöpft; emotional - durchwachsen.
"Was ist eigentlich los? Es läuft doch alles gut..." fragt Ihr Euch vielleicht. Warum können wir nicht einfach dankbar sein, dass es heutzutage eine Behandlung für diese Krankheit gibt, die in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle hilft (85 %)? Ich will versuchen, es zu beschreiben:

Was ist mit der Chemo?
Sicherlich habt Ihr - zumindest zwischen den Zeilen - bereits mitbekommen, dass wir der schulmedizinischen Behandlung eher kritisch gegenüber stehen. (Nein, daran hat sich nichts geändert.) Die Gründe:
Chemotherapie ist eine Behandlung mit Gift. Der theoretische Ansatz, der dahinter steht: Das Immunsystem wird zerstört, um es sich dann (ohne Hilfe) wieder neu – und hoffentlich gesund - aufbauen zu lassen. Dieser Ansatz steht im Widerspruch zu dem alternativ-medizinischen Ansatz: Das Immunsystem stärken und ganzheitlich den Menschen (psychisch und physisch) heilen.
Zu einer Chemotherapie gehören viele verschiedene Stoffe, die auf unterschiedliche Art und Weise in den Zellteilungsprozess eingreifen. Manche werden auch in die DNA der Zellen eingebaut und sollen so dafür sorgen, dass sich diese Zellen nicht mehr vermehren können. Was dabei noch so alles passiert, weiß man leider heute noch nicht. Die Chemotherapeutika selbst sind krebserregend. Sie können langfristig schwere Organschäden hervorrufen, auch impotent machen. In jedem Falle belasten sie den Organismus auf Dauer.
Wir versuchen natürlich alles, um diese Neben- und Nachwirkungen abzufangen und Romeos Körper zu stärken mit guter Nahrung, Vitaminen, Mineralstoffen – eben alles, was der Körper braucht um schöne neue und funktionsfähige Zellen herzustellen. Wir wollen alle Hilfe nutzen, die sinnvoll für Romeo ist.

Wieviel Chemo braucht Romeo?
Nun hat unser begleitend behandelnder anthroposophischer Arzt bereits im November kinesiologisch testen können, dass Romeo für seine Genesung keine Chemotherapie mehr braucht. (Wer von Euch noch keine direkte Erfahrung mit kinesiologischen Testungen hat, der halte sich bitte mit einem Urteil zurück.) Die Schulmedizin hat leider keine Möglichkeit festzustellen, wann ein Kind von der Leukämie geheilt ist. Sie hat nur die empirischen Erfahrungen aus vorhergehenden Kohorten. Um das mal ganz vereinfacht auszudrücken: Mit der derzeitigen Behandlung bekamen 85 von 100 Kindern 5 Jahre nach Erstausbruch keinen Rückfall. Für wieviele von diesen Kindern eine geringere Menge Chemotherapie gereicht hätte, weiß man leider nicht, bzw. gibt es einfach keinen Faktor, den man hinzuziehen könnte, um herauszufinden für genau welche Kinder dies so wäre. So betrachtet, kann ich sehr gut verstehen, warum die schulmedizinisch arbeitenden Ärzte so handeln wie sie es eben tun - das ist das Beste, was sie tun können. Unser innerer Konflikt rührt nun daher, dass wir das Gefühl haben, dass Romeos Leukämie schon längst geheilt ist (Ihr erinnert Euch vielleicht: Am Tag 29 konnten noch 1 Leukämiezelle pro 1 Million Zellen nachgewiesen werden). Worunter er jetzt leidet, ist die Therapie. Und der einzige Arzt (Ja, er ist auch schulmedizinisch ausgebildet und zugelassen), der dazu eine Aussage macht, sieht das auch so. Aber selbst uns fällt es schwer, den alternativen Methoden gänzlich zu vertrauen (Vertrauen ist das, was wir tatsächlich zur Heilung brauchen). Und so befanden wir uns - befand ich mich - wochenlang (vor allem um Weihnachten) in einem anstrengenden inneren Kampf zwischen der Abneigung gegen die Herangehensweise der Schulmedizin, der Suche nach Vertrauen, der Suche nach Sicherheit, der Auseinandersetzung mit der Angst und der Suche nach einem zweiten Arzt, der - auf einem direkteren Weg - Romeos Heilung testen könnte. Nun haben wir uns die Krankenhakte geben lassen und holen die  Meinung von 3 etwas alternativer arbeitenden Ärzten und Krebsspezialisten ein.
Das alles hat sehr, sehr viel Energie gekostet - daher die Erschöpfung.

Tür zu
Die Vorläufige Kulmination dieser Phase war ein Gespräch mit dem leitenden Personal der Station in der Uniklinik. Wir erhofften uns von diesem Gespräch objektive Informationen, um sowohl die Risiken der Krankheit als auch die Risikien der Therapie besser einschätzen und abwägen zu können.
Wir waren sehr dankbar, dass das Gespräch in einer freundlichen und sachlichen Atmosphäre ablief und wir haben wirklich sehr viele interessante Informationen erhalten. Wir haben auch - ehrlicher Weise - einige der Grenzen des schulmedizinischen Wissens zu sehen bekommen. Aber die entscheidende Frage - und ich denke, das wussten auch alle Beteiligten - war, wie das Team der Station reagieren würde, sollten wir erwägen, die Chemotherapie eher als im Protokoll vorgesehen zu beenden. Die Antwort - obwohl sehr menschlich und freundlich formuliert - hat mich in ihrem Gehalt für einige Wochen sprachlos vor Wut gemacht: Sorgerechtsentzug... So frei ist also der Mensch in Deutschland!

Wolang jetzt?
Mittlerweile ist Ruhe eingekehrt. Zumindest hat diese Androhung auch dazu geführt, dass wir erstmal nicht mehr so viel Energie in eine Entscheidung investieren, die zu treffen – gegenwärtig - unsere Kräfte übersteigt. Romeo lebt sein Leben und kämpft nicht gegen die Krankheit, sondern verabschiedet sich einfach von ihr.
Wir vertrauen in Gott und seine Liebe, die unsere Familie trägt – denn Gott lässt die seinen nicht im Stich! Und wir sind sicher, etwas Schönes und Hilfreiches wird sich ergeben und eine neue Tür wird sich öffnen – wir sind auf dem Weg.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr Eure Gedanken zu diesem Thema als Kommentar schreiben könntet.

4 Kommentare:

  1. Ihr Lieben,

    wir hörten am Wochenende eine wunderschöne Predigt und ich will aus meiner Erinnerung einen (für Basti und mich) eindrucksvollen Aspekt daraus mit euch teilen. Es ging unter anderem um das Licht.

    Jeder vernünftige Mensch weiß, dass man nicht unter permanenter Beleuchtung leben kann. Wir existieren in einem Rhythmus von Licht und Dunkel, von Tag und Nacht. Wie empfindlich wir auf zuviel permanentes Licht reagieren, zeigt sich eindrucksvoll, wenn man sich vor Augen hält, dass Menschen zum Teil gefoltert werden, indem man Sie über sehr lange Zeiten extremer Helligkeit aussetzt.

    Auch das Licht Gottes ist so beeindruckend, dass es in seiner vollen Kraft für uns wohl auf Dauer nicht zu ertragen wäre. Daher ist Gott in Menschengestalt zu uns gekommen, sein Licht wurde durch die Geburt Jesu wie durch ein Prisma gebrochen um für uns fassbar zu werden. Aber auch dieses Licht hat viele Töne - hellere und auch dunklere Farben. Und: Nicht jeden Tag haben wir unsere Augen und Herzen weit genug offen, um all diese Farben zu sehen. Manchmal fehlt uns dazu auch einfach nur die Kraft oder der Mut.

    Vielleicht gibt es manchmal dunklere Tage für euch im Moment. Aber ihr dürft darauf vertrauen, dass alle Farben des Regenbogens immer wieder für euch scheinen werden.

    Nach wie vor sind wir in unseren Herzen, Gedanken und Gebeten ganz ganz nah bei euch. Wir schicken euch einen warmen Sonnenstrahl aus Kleinmachnow, der hier bei uns heute schon den Frühling erahnen ließ.

    Seid umarmt und gehalten von Basti, Jona, Leo und Anke.

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  2. Liebe Anke,

    das ist ein ganz schöner Gedanke für mich! Auch hier scheint die Sonne und weckt Frühlingsgefühle. Wir freuen uns schon sehr auf Ostern.

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  3. Hallo Gerlind,

    Ich glaube - und das liest sich auch aus deinem Eintrag heraus -, dass diese Gratwanderung zwischen wie alternativ kann man sein und wie schulmedizinisch muss es sein, die eigentliche Schwierigkeit ist. Bis zu welchem Grad darf man auf das eigene Gefühl vertrauen und ab wann reicht Hoffnung allein nicht weiter.

    Ich muss bei solchen Überlegungen immer gleich an den einen extremen Fall denken, wo die Eltern eines kleinen Jungen mit Tumor im Bauch, auf die Kunst eines Heilers vertraut haben und somit sein Todesurteil unterzeichnet haben. Ich denke ja, dass eure Ärzte, wenn sie das Wort Sorgerechtsentzug fallen lassen, an ähnliche Fälle denken. Und das ist schade, denn das ist ein extremer Fall, der alles alternative in ein schlechtes Licht rückt.

    Unter den Umständen ist es vielleicht wirklich nicht schlecht, wenn ihr eure Energie nicht auf den Kampf gegen die Schulmedizin verwendet (denn das würde euch wohl wirklich eher das Jugendamt ins Haus bringen), sondern eher darauf, seine Therapie auch weiterhin so zu unterstützen, wie ihr das gemacht habt.

    Eure Suche nach Sicherheit und Vertrauen ins eigene Vertrauen kann ich gut nachempfinden. Ich würde wahrscheinlich auch so weit gehen, wie ich Kraft habe und mich dann auf die Schulmedizin verlassen. Schließlich haben die ja nachweislich schon vielen geholfen. Und mit dem, was ihr zusätzlich noch unternehmt, könnt ihr die restlichen Prozent Risiko noch angehen.

    Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Kraft auf eurem Weg. Wir drücken euch und senden euch viele Grüße aus Brüssel
    Sandra und Alex

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  4. Liebe Sandra,

    Du hast die Problematik ziemlich gut herausgelesen. Und der bisherige sehr gute Verlauf der Heilung scheint ja auch dafür zu sprechen, dass wir irgendwas schon richtig gemacht haben. Hoffen wir, dass es auch weiter so bleibt und dass wir von Langzeitschäden verschont bleiben.
    Liebe Grüße nach Brüssel,

    Gerlind

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